Kälte
Verfasst: 07.12.2005, 11:45
Es war kalt. Eiskalt. Der Wind pfiff hohl durch die tiefen Spalten im spröden Eis, zerrte an Eiszapfen, trieb den eben gefallenen Schnee mit grausamer Wucht über die gewaltigen Flächen des Hochplateaus. Hier oben lebte nichts. Kein Mensch, kein Tier, keine Pflanzen. Kein Lebewesen konnte in dieser Kälte existieren, kein Fell den beissenden Wind abhalten, keine noch so dicke Haut den Körper warm halten.
Und doch lebte ich.
Mühsam, Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug, quälte ich mich voran. Weiter. Nur weiter. Aufgeben wäre Verrat. Verrat an meinen Lehrern, Verrat an meiner Stärke. Verrat an meinen Idealen, Verrat an mir selbst.
Aus tiefen Schrammen tropfte träge Blut, welches in dieser Kälte ziemlich dickflüssig geworden war. Es tat trotz der betäubenden Kälte höllisch weh.
In der Stärke gibt es keinen Schmerz!
Das rief ein komisches Gefühl in mir hervor, ein feindseliges. Trotzdem. Mir diesen Satz in Erinnerung rufend quälte ich mich weiter. Schritt für Schritt. Atemzug für Atemzug. Einen Handschuh hatte ich verloren. Wo und unter welchen Umständen konnte ich mich nicht erinnern. Auf jeden Fall war die Hand blau, ich hatte keinerlei Gefühl mehr darin. Mühsam wandte ich den Blick davon ab. Meine Hand war nicht relevant.
"Aufgeben wäre Verrat."
Ich schreckte auf. Das waren nicht meine Gedanken gewesen. Vor mir sah ich eine schemenhafte Gestalt. Ein Mann in dunkler Robe, mit rötlich schimmernden Augen. Er besass Macht, das war mir sofort klar. Wer war er? Wer? Ich kannte ihn nicht. Doch er wies mir den Weg. Ich folgte der Richtung, welche seine ausgestreckte Hand wies...
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Ich weiss nicht mehr, wie lange ich mich durch die Kälte quälte. Irgendwann dachte ich nicht mehr nach und setzte einfach Fuss vor Fuss. Nicht aufgeben. Einfach nicht aufgeben. Oftmals war es mir sehr verlockend vorgekommen, einfach die Augen zu schliessen, mich auf den kalten Boden zu legen, zu schlafen... Und nie mehr aufzuwachen. Doch ich tat es nicht. Ich kämpfte weiter, unterdrückte die Müdigkeit, schürte meine Kraft mit meiner Verzweiflung, setzte Fuss vor Fuss, Schritt vor Schritt, Meter vor Meter.
Als ich zu mir kam, lag ich in einem weichen Bett. Alles um mich herum war weiss. Im ersten Augenblick dachte ich, ich läge noch immer in der Eiswüste, doch dem war nicht so. Die Wände waren weiss getüncht, Möbel und andere Gegenstände ebenfalls in dieser Farbe gehalten. Als ich den Kopf hob, ging eben die Tür auf. Ein junger Mann kam herein. Sein langes, schwarzes Haar wurde von einem Band zurückgehalten, er trug - es erstaunte mich nicht - einen weissen Überwurf.
"Wie fühlen sie sich?"
Die Stimme des Heilers war angenehm ruhig, doch irgendwo befand sich auch ein Unterton der Nervosität. Ich schwieg einen Augenblick, bevor ich erklärte, es ginge mir den Umstänen entsprechend. Als sein Blick auf meinen Arm fiel, liess ich den meinen ebenfalls dorthin wandern. Und sah nichts. Mein rechter Arm... Ich versuchte die Hand zu ballen, doch nichts geschah. Ich wollte die Hand zu meinem Gesicht heben, doch nichts bewegte sich. Mein Arm war fort.
Eiskalt fiel mir der Handschuh ein. Ich hatte ihn verloren. Meine Hand war erfroren. Mein Arm wohl auch.
"Wir mussten den Arm amputieren, Miss. Es war die einzige Möglichkeit, Ihr Leben zu retten.
Ich nickte nur. Irgendwie war es mir bewusst gewesen, dass diese Kälte nicht ohne Folgen bleiben würde. Einen Moment lang wollte ich verzweifeln. Aufgeben wäre Verrat. Also verzweifelte ich nicht.
"Wir können einen mechanischen Arm anbringen, wenn Sie das wünschen. Denken Sie aber gut darüber nach."
Mit diesen Worten verschwand der Heiler und liess mich allein. Meine Gedanken kreisten um diese Tatsache, dass mein Arm weg war. Was sprach denn gegen einen mechanischen Arm? Eigentlich nichts. Aber trotzdem war mir der Gedanke fremd. Was war mein Ziel? Ausser zu überleben? Ich musste den Krieger finden, welcher mir den Weg gewiesen hatte. Mein Schicksal musste mit ihm Verbunden sein, wenn ich ihn so sehen konnte. Und vielleicht - nur vielleicht - würde ich gezwungen sein, zwei Arme zu haben, um dieses Ziel zu erreichen.
Mein Blick fiel auf das Lichtschwert, welches auf dem Nachttisch lag. Woher hatte ich das? Warum war ich eigentlich in dieser Eiswüste gewesen? Ich griff mir mit der linken Hand an den Kopf. Die Erinnerungen waren fort. Mein Schrei hallte laut durch den Raum.
Die Erinnerungen waren fort.
-----
Eine Woche später verliess ich das Krankenhaus, an meinem Schultergelenk ein neuer Arm. Er sass perfekt und war um einiges kräftiger als mein echter Arm.
Das Lichtschwert hing an meinem Gürtel. Ich wusste nicht, was es damit auf sich hatte, doch warf ich es nicht weg. Irgendwie fühlte ich mich mit diesem Gegenstand verbunden. Ich musste weiter. Ich musste den Mann finden, welcher mir den Weg gewiesen hatte. Koste es, was es wolle.
Es hatte so oder so schon viel gekostet. Meinen Arm, meine Erinnerungen.
Und doch lebte ich.
Mühsam, Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug, quälte ich mich voran. Weiter. Nur weiter. Aufgeben wäre Verrat. Verrat an meinen Lehrern, Verrat an meiner Stärke. Verrat an meinen Idealen, Verrat an mir selbst.
Aus tiefen Schrammen tropfte träge Blut, welches in dieser Kälte ziemlich dickflüssig geworden war. Es tat trotz der betäubenden Kälte höllisch weh.
In der Stärke gibt es keinen Schmerz!
Das rief ein komisches Gefühl in mir hervor, ein feindseliges. Trotzdem. Mir diesen Satz in Erinnerung rufend quälte ich mich weiter. Schritt für Schritt. Atemzug für Atemzug. Einen Handschuh hatte ich verloren. Wo und unter welchen Umständen konnte ich mich nicht erinnern. Auf jeden Fall war die Hand blau, ich hatte keinerlei Gefühl mehr darin. Mühsam wandte ich den Blick davon ab. Meine Hand war nicht relevant.
"Aufgeben wäre Verrat."
Ich schreckte auf. Das waren nicht meine Gedanken gewesen. Vor mir sah ich eine schemenhafte Gestalt. Ein Mann in dunkler Robe, mit rötlich schimmernden Augen. Er besass Macht, das war mir sofort klar. Wer war er? Wer? Ich kannte ihn nicht. Doch er wies mir den Weg. Ich folgte der Richtung, welche seine ausgestreckte Hand wies...
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Ich weiss nicht mehr, wie lange ich mich durch die Kälte quälte. Irgendwann dachte ich nicht mehr nach und setzte einfach Fuss vor Fuss. Nicht aufgeben. Einfach nicht aufgeben. Oftmals war es mir sehr verlockend vorgekommen, einfach die Augen zu schliessen, mich auf den kalten Boden zu legen, zu schlafen... Und nie mehr aufzuwachen. Doch ich tat es nicht. Ich kämpfte weiter, unterdrückte die Müdigkeit, schürte meine Kraft mit meiner Verzweiflung, setzte Fuss vor Fuss, Schritt vor Schritt, Meter vor Meter.
Als ich zu mir kam, lag ich in einem weichen Bett. Alles um mich herum war weiss. Im ersten Augenblick dachte ich, ich läge noch immer in der Eiswüste, doch dem war nicht so. Die Wände waren weiss getüncht, Möbel und andere Gegenstände ebenfalls in dieser Farbe gehalten. Als ich den Kopf hob, ging eben die Tür auf. Ein junger Mann kam herein. Sein langes, schwarzes Haar wurde von einem Band zurückgehalten, er trug - es erstaunte mich nicht - einen weissen Überwurf.
"Wie fühlen sie sich?"
Die Stimme des Heilers war angenehm ruhig, doch irgendwo befand sich auch ein Unterton der Nervosität. Ich schwieg einen Augenblick, bevor ich erklärte, es ginge mir den Umstänen entsprechend. Als sein Blick auf meinen Arm fiel, liess ich den meinen ebenfalls dorthin wandern. Und sah nichts. Mein rechter Arm... Ich versuchte die Hand zu ballen, doch nichts geschah. Ich wollte die Hand zu meinem Gesicht heben, doch nichts bewegte sich. Mein Arm war fort.
Eiskalt fiel mir der Handschuh ein. Ich hatte ihn verloren. Meine Hand war erfroren. Mein Arm wohl auch.
"Wir mussten den Arm amputieren, Miss. Es war die einzige Möglichkeit, Ihr Leben zu retten.
Ich nickte nur. Irgendwie war es mir bewusst gewesen, dass diese Kälte nicht ohne Folgen bleiben würde. Einen Moment lang wollte ich verzweifeln. Aufgeben wäre Verrat. Also verzweifelte ich nicht.
"Wir können einen mechanischen Arm anbringen, wenn Sie das wünschen. Denken Sie aber gut darüber nach."
Mit diesen Worten verschwand der Heiler und liess mich allein. Meine Gedanken kreisten um diese Tatsache, dass mein Arm weg war. Was sprach denn gegen einen mechanischen Arm? Eigentlich nichts. Aber trotzdem war mir der Gedanke fremd. Was war mein Ziel? Ausser zu überleben? Ich musste den Krieger finden, welcher mir den Weg gewiesen hatte. Mein Schicksal musste mit ihm Verbunden sein, wenn ich ihn so sehen konnte. Und vielleicht - nur vielleicht - würde ich gezwungen sein, zwei Arme zu haben, um dieses Ziel zu erreichen.
Mein Blick fiel auf das Lichtschwert, welches auf dem Nachttisch lag. Woher hatte ich das? Warum war ich eigentlich in dieser Eiswüste gewesen? Ich griff mir mit der linken Hand an den Kopf. Die Erinnerungen waren fort. Mein Schrei hallte laut durch den Raum.
Die Erinnerungen waren fort.
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Eine Woche später verliess ich das Krankenhaus, an meinem Schultergelenk ein neuer Arm. Er sass perfekt und war um einiges kräftiger als mein echter Arm.
Das Lichtschwert hing an meinem Gürtel. Ich wusste nicht, was es damit auf sich hatte, doch warf ich es nicht weg. Irgendwie fühlte ich mich mit diesem Gegenstand verbunden. Ich musste weiter. Ich musste den Mann finden, welcher mir den Weg gewiesen hatte. Koste es, was es wolle.
Es hatte so oder so schon viel gekostet. Meinen Arm, meine Erinnerungen.